Bezirkskonvent Berlin-Brandenburg tagte -

Themen Ekklesiologie und neues Gesangbuch
Vom 20. – 22. August 2019 trat der Pfarrkonvent des Kirchenbezirks Berlin-Brandenburg in der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) zu einem Einkehrkonvent in Hohenselchow-Groß Pinnow zusammen. Nach Begrüßung und Andacht durch Superintendent Peter Brückmann, Berlin-Wedding, wurden die Konventualen umfassend durch ihren leitenden Geistlichen über Beratungsgegenstände des Beirates sowie aus dem Kollegium der Superintendenten informiert. Als Gast zugegen informierte Bischof Hans-Jörg Voigt D.D., Hannover, über die Arbeit der Kirchenleitung (SELK), während die Pfarrer über Herausforderungen aus ihren Gemeinden berichteten.
Nachmittags referierte zunächst Bischof Voigt zum Thema Ekklesiologie (Lehre von der Kirche). Grundlegend wies Voigt auf neutestamentliche Schriftaussagen zur Ekklesiologie hin und markierte die wesentlichen Aussagen zu dieser Thematik in den Bekenntnisschriften der Evangelisch-Lutherischen Kirche. „Gleichwohl“, so der Bischof, sei zu fragen, wie mit dem Phänomen umzugehen sei, dass dieses konfessionsgebundene lutherische Kirchenverständnis sowohl bei Gästen als auch Gemeindegliedern teils auf Unverständnis stößt.“ Umgekehrt sei aber auch die Frage zu stellen, wie mit anderen Kirchen, kirchlichen Gemeinschaften, Kirchgliedern anderer Konfessionen umgegangen werden könne, die der SELK theologische nahe seien, aber eine offizielle Feststellung von Kirchen- und Abendmahlsgemeinschaft nicht möglich sei. Voigt stellte nochmals deutlich den Zusammenhang von Kirchen- und Abendmahlsgemeinschaft her. „Kirchengemeinschaft ist Abendmahlsgemeinschaft! Abendmahlsgemeinschaft ist Kirchengemeinschaft!“. Der leitende Geistliche der SELK wies darauf hin, dass trotz des mangelnden Verständnisses der Zulassungspraxis der SELK dennoch am Grundsatz von Kirchen- und Abendmahlsgemeinschaft festzuhalten sei. Gleichwohl könne ein Pfarrer in seelsorgerlicher Verantwortung schon jetzt handeln, welches auch geschieht. Neben den theologischen Aspekten erinnerte Bischof Voigt daran, dass die SELK eine Minderheitenkirche ist und diese aufgrund eben dieser Vorfindlichkeit zu Erklärungen mehr genötigt sei. „Kognitive Mehrheiten sind frei von Begründungserfordernissen, während Minderheiten ständig angefragt sind!“
Sodann referierte Bischof i.R. Dr. Jobst Schöne, Berlin-Zehlendorf, und stellte seine Sicht auf die Ekklesiologie der SELK teils in sehr persönlichen Anmerkungen den Konventualen vor. Ausgehend von der Studie des Forschungszentrums Generationenverträge an der Universität Freiburg, die den 20 evangelischen Landeskirchen und 27 katholischen Bistümern in seiner Studie präsentiert wurden, dürften die Glocken in den christlichen Gotteshäusern Alarm schlagen: Die Mitgliederzahlen der beiden großen Kirchen werden sich in den kommenden Jahrzehnten drastisch verringern. Bis zum Jahr 2035 um 22 Prozent. Bis zum Jahr 2060 sogar um 49 Prozent - von nunmehr 44,8 Millionen Mitgliedern auf 22,7 Millionen Mitglieder. Zudem werden die Kirchensteuereinnahmen um etwa die Hälfte einbrechen. Von dieser Entwicklung dürfte auch die SELK betroffen sein. Jedoch scheine seine Kirche weithin diese Entwicklungen nicht zur Kenntnis zu nehmen. Er vermisse eine Unruhe in der SELK über diese Entwicklung zu debattieren. Deutschland werde Missionsland. Nicht nur der demographische Wandel, sondern auch die Austrittsbereitschaft und die steigende Mobilität würden Kirchenaustritte gerade bei 25-35-jährigen begünstigen. Ein laues Christentum fände keine Abnehmer. Es herrsche eine defuse Konsenstheologie und nicht selten seien Trivialbotschaften in Predigten wahrzunehmen, nicht nur in Kirchen der Ökumene. Schöne machte deutlich, dass zwar die Bevölkerungszahl Berlins stetig steige, aber in den Gemeinden kaum Interessierte ankommen. Dies sei im 19. Jahrhundert – gleichfalls in Berlin – anders gewesen. Der Zuzug damals habe dazu geführt, dass aus der Gemeinde Berlin-Mitte heraus, die bis heute existierenden Gemeinden Berlin-Wedding und Berlin-Wilmersdorf entstanden sind.
Der emeritierte Bischof verwies auf einen Aufsatz von Hermann Sasse, Über die Frage nach der Existenzberechtigung und Sendung der unserer Evangelisch-lutherischen Kirche Altpreußens, (in; Hermann Sasse, In statu confessions, Band III, S. 261-274, Göttingen 2011) und ermutigte die Konventualen eben dieses Memorandum zu lesen, da es ihm vorkomme als sei es in unseren Tagen geschrieben. Im Rückgriff auf den Göttinger Kirchenhistoriker Prof. Dr. Thomas Kaufmann forderte Schöne mehr Theologie und forderte eine schonungslose Analyse über den Zustand der Kirche. Er nehme Defizite, Schwächen und verpasste Chancen wahr, die zu Kirchengliederschwund, Traditionsabbruch und Bindungsschwäche geführt hätten. So vermisse er die Vernetzung der Gemeinden in das Gemeinwesen zu Vereinen, Parteien, Kunst und Kultur und sehe kaum eine Präsenz in den Medien. „Gibt es eine Strategie unserer Kirche, wie es weitergehen kann? Worauf konzentriert die SELK ihre finanziellen und personellen Kräfte? Wofür steht die SELK?“, fragt Schöne an. Er wünsche sich eine konfessionsgebundene evangelisch-lutherische Kirche, die theologisch und ethisch klar aufgestellt ist und in der in Gesetz und Evangelium gepredigt werde sowie sowohl die Liturgie als auch die Agende verbindlicher Rahmen sei. Irrlehre gehöre als solche klar und eindeutig benannt. Das Heilige Abendmahl gehöre in das Zentrum der Gemeinden und in die häufige Sakramentsfeier in die Mitte des Gottesdienstes und. Die Beichte sei wieder oft anzubieten. So wünsche er sich, dass die Gemeinden Zufluchtsorte für Verunsicherte werden möchten.
Der zweite Konventstag wurde mit einem Beicht- und Abendmahlsgottesdienst eröffnet, in dem Pfarrer Edmund Hohls, Berlin-Wilmersdorf, die Predigt hielt und Pfarrer Dr. Gottfried Martens D.D. (Berlin-Steglitz) als Liturg fungierte. Der Kantor der Kirchenregion Ost, Georg Mogwitz, Leipzig, begleitete nicht nur die Choräle, sondern führte die Konventualen in das neue Gesangbuch ein, das in der zweiten Jahreshälfte 2020 für die SELK erscheinen soll. Mogwitz stellte mittels einer Graphik den Liedbestand des neuen Gesangbuches vor. Insgesamt sei der Liedbestand gewachsen, wobei 60 % altes Liedgut und 40 % neues Liedgut seien. Die theoretischen Einheiten wurden durch gemeinsames Singen von Liedern und Introiten aufgelockert. Besonders bei den neuen Tönen für die Introiten komme eine Umstellung auf die Gemeinden zu. Vom germanischen Chordialekt werde mit dem neuen Gesangbuch die romanische Melodieform eingeführt.
Nachmittags machten die Konventualen einen Ausflug in das nahe gelegene polnische Szczecin (Stettin). Neben einer zweistündigen Dampferfahrt auf der Oder fand eine Stadtführung durch einen zertifizierten Stadtführer statt, der mit viel Kenntnis die Stadt und ihre Geschichte erläuterte. Der Abend schloss in einem gutbürgerlichen Restaurant in Stettin. Der dritte Konventstag wurde nach der Andacht mit einer homiletischen Besinnung über Lukas 7,36-50 fortgesetzt, bevor sich die Pfarrer rückblickend mit Veranstaltungen des Kirchenbezirks befassten und bevorstehende Ereignisse in den Blick nahmen. Die neue verabredete Arbeitsweise des Konvents, Abläufe optimieren. Leitung stärken. Inhalte fördern. Entlastung ermöglichen, wurde begrüßt und soll auf den folgenden Konventen weiter praktiziert werden. Der Konvent endete mit Gebet und Segen. (MB)